Stellungnahme zum Neubau Mehrzweckhalle, Ortsverwaltung, Bürgersaal, Freiwillige Feuerwehr am Standort Taunushalle (Heerstraße) anlässlich der Ortsbeiratssitzung am 13. Juli 2022

Bildquelle: SEG

Wiesbaden, den 13.07.2022

Stellungnahme zu SV 22-V-01-0004: Neubau Mehrzweckhalle, Ortsverwaltung, Bürgersaal, Freiwillige Feuerwehr am Standort Taunushalle (Heerstraße) anlässlich der Ortsbeiratssitzung am 13. Juli 2022

(Die Spiegelstriche sowie die Punkte 14 und 16 wurden aus Zeitgründen nicht auf der Ortsbeiratssitzung mündlich vorgetragen.)

Die Fraktion „Norschter in Bewegung“ lehnt die von SEG und Oberbürgermeister vorgelegte Sitzungsvorlage aus folgenden Gründen ab:

  1. Mehrzweckhalle und Bürgersaal werden im Neubau ähnlich groß sein wie bisher, allerdings sind beide schon jetzt regelmäßig voll ausgebucht. Die ebenfalls regelmäßig ausgebuchten Sitzungsräume des heutigen Gemeindezentrums, sowie die Sitzungsräume in der heutigen Taunushalle, werden wegfallen. Der Neubau wird also schon jetzt nicht ausreichen für die aktuellen und zukünftigen Bedarfe des Stadtteils, insbesondere der Vereine. Da der Stadtteil weiter wachsen wird, ist das von der SEG und dem Oberbürgermeister vorgeschlagene Konzept nicht zukunftstauglich.
  2. Die Bedarfe der Vereine wurden vorab nicht abgefragt, obwohl diese seit Jahren über Platzmangel klagen. Erst auf Antrag von Norschter in Bewegung hat der Ortsbeirat am 29. September 2021 beschlossen, dass dieser Bedarf erfasst werden soll. Ein daraufhin am 14. Februar 2022 vom Oberbürgermeister vorgeschlagener Runder Tisch mit den Vereinen, dem Schuldezernat, dem Sportamt und dem Ortsbeirat wurde bislang nicht durchgeführt. Dies wäre für eine qualifizierte Bewertung der vorliegenden Sitzungsvorlage erforderlich gewesen.
    • Das Versprechen des Oberbürgermeisters in der parlamentarischen Antwort vom 07.12.2021, dass die Bedarfe im Laufe des Planungsverfahrens abgefragt werden und die Größe der Halle ggf. angepasst werden kann, ist nicht praxisnah: Für ein viertes Feld ist keinesfalls Platz auf der dafür geplanten Fläche, ein zweiter Bürgersaal wurde nicht in Aussicht gestellt. Eine geringfügige Erweiterung der Hallenfläche, um bei Kulturveranstaltungen die bisherige Besucherzahl zu ermöglichen, wird indirekt schon in der Antwort des OB aus Kostengründen ausgeschlossen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die heutige Besucherkapazität zukünftig reduziert werden muss.
  3. Der jahrelange Sanierungsstau bei Taunushalle und Gemeindezentrum soll durch den Verkauf eines zentral in der Ortsmitte gelegenen öffentlichen Grundstücks gegenfinanziert werden: das Nordenstadter Tafelsilber wird verscherbelt für eine längst überfällige und eigentlich selbstverständliche Maßnahme.
  4. Die in der Sitzungsvorlage dargestellte Vergleichsmatrix ist an vielen weiteren Stellen unvollständig und nicht ergebnisoffen: gerade im Bereich Klima wird einseitig bewertet. Es wird überhaupt nicht erwähnt, dass die Klimafunktionskarte 2017 für den Standort Taunushalle „zunächst Entsiegelungen und anschließend intensive Begrünungen“ vorgibt. Dass der heutige Parkplatz an der Taunushalle von 30 großen, alten Bäumen überschattet wird, wird völlig ignoriert. Es wird nicht erwähnt, dass die Taunushalle in einem stark überhitzten Gebiet liegt. Ein Klimagutachten soll aber erst im Rahmen der weiteren Planung erstellt werden. Durch das Ignorieren dieser klimatischen Faktoren widerspricht die Sitzungsvorlage dem auch von der Stadtverordnetenversammlung 2019 ausgerufenen Klimanotstand.
    • Der alternative Standort für eine größere Mehrzweckhalle an Sportplatz und Tennisplätzen wird mit dem Argument abgelehnt, dass Innenentwicklung vor Außenentwicklung gelte. Vor dem Hintergrund, dass gerade ein sehr großes Neubaugebiet auf Ackerland in Nordenstadt bebaut wird, und zwei weitere große Wohngebiete in Außenentwicklung in Wiesbaden in Planung sind, ein abenteuerliches Argument. Hier wird mit doppelten Maßstäben und rein interessensgeleitet gewertet.
    • Die klimatische Bewertung der beiden Standorte ist einseitig: Es wird lediglich erwähnt, dass laut Klimafunktionskarte 2017 der Standort am Sportplatz „in einem potenziell aktiven Kalt- und Frischluftentstehungsgebiet“ liegt, nicht erwähnt wird weder, dass dies für sämtliche Ackerflächen auf Wiesbadener Gemarkung gilt, noch dass für den Standort an der jetzigen Taunushalle in der Klimafunktionskarte 2017 Folgendes vermerkt, ist: „Hohe bis sehr hohe stadtklimatologische Vorbelastung, hohe Empfindlichkeit. Planungshinweis: Entsiegelungen und intensive Begrünungen, keine weiteren baulichen Verdichtungen und Versiegelungen. Extrem hohe Versiegelungsanteile in diesen Flächen bewirken insbesondere im Sommer zu geringe nächtliche Abkühlungen und Feuchtezunahmen. Unter dem klimaökologischen Sanierungsaspekt sollten gegensteuernde Maßnahmen (zunächst Entsiegelungen und anschließend intensive Begrünungen) erfolgen. Weitere Versiegelungen oder bauliche Verdichtungen sollten aus klimafunktionaler Sicht grundsätzlich nicht erfolgen; in Ausnahmefällen sind den klimatischen Gegebenheiten unter strengen Auflagen Rechnung zu tragen“.
    • Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Parkplatz an der Taunushalle, der fast vollständig mit rund 30 großen, alten Bäumen überdeckt ist, bei der klimatischen Bewertung als versiegelte Fläche gewertet wird. Das Taunushallen-Areal gehört zur klimatisch am höchsten belasteten Fläche in Nordenstadt, die laut Klimafunktionskarte vorgegebene Entsiegelung des Parkplatzes und dem Erhalt der 30 Bäume wäre klimatisch angemessen und würde sich hervorragend als Parkanlage eignen.
    • Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Klimagutachten erst nach der Vergabe des Planungsauftrags erstellt werden soll. Seit dem Grundsatzbeschluss im Ortsbeirat sind nun zwei Jahre vergangen, in denen man ein Klimagutachten erstellen hätte können. Wenn der Magistrat, den auch von der Stadtverordnetenversammlung 2019 beschlossenen Klimanotstand ernst nehmen würde, wäre das Gutachten vor der Vergabe des Planungsauftrags erstellt worden.
  5. Für den Standort Taunushalle gibt es keine belastbare Verkehrsuntersuchung, dem Ortsbeirat wurde in der Vergangenheit und auch in der aktuellen Sitzungsvorlage lediglich sehr allgemein mitgeteilt, dass keine Abwicklungsprobleme zu erwarten seien. Insbesondere die Heerstraße und die Eichelhäherstraße sind sehr schmal und haben schon jetzt durch das Neubaugebiet eine deutlich höhere Belastung, als direkte Zufahrtsstraßen zum neuen Gebäudekomplex wird diese Belastung zunehmen.
    • Es liegt keine Verkehrsprognose für die schmale Sackgasse nördlich der Taunushalle vor, an der schon heute der Kindergarten liegt, und zukünftig auch die Eingänge zu Ortsverwaltung, Bürgersaal und Mehrzweckhalle.
  6. Ein zentrales Argument der Sitzungsvorlage gegen den Standort am Sportplatz ist die schlechtere Erreichbarkeit für den Grundschulsport. Hierbei gilt es allerdings zu beachten, dass die neue Einfeldhalle an der Grundschule den Schulsport inklusive Bewegungsstunden weitgehend abdecken kann. Bewegungsstunden finden darüber hinaus auch jetzt schon häufig draußen oder in anderen Räumen statt. Auch gilt zu berücksichtigen, dass die Prognose der Schüler*innenzahlen für die Grundschule Nordenstadt von einem Rückgang ausgeht, wenn die neu zugezogenen Kinder aus dem Neubaugebiet in die weiterführenden Schulen kommen. Wir reden bei diesem geringfügigen und ausgleichbaren Platzmangel also über eine Übergangsphase von ca. fünf Jahren.
  7. Die Lärm- und Verkehrsbelästigung wäre am alternativen Standort am Sportplatz deutlich besser für alle Anwohner*innen. Die in der Sitzungsvorlage behauptete verstärkte Lärmbelastung durch Durchgangsverkehr zwischen Westring und An der Igstadter Straße könnte durch eine entsprechende Verkehrsführung verhindert werden.
  8. Während der – sicherlich mehrjährigen – Bauzeit für alle Gebäudeteile sollen laut SEG-Präsentation die Parkplätze auf den Festplatz verlegt werden. Dies würde deutliche Einbuße für die Aufenthaltsqualität auf Spielpatz, Bolzer und Pumptrack mit sich bringen. Parkende Autos neben dem Bolzer würden zu versicherungsrechtlichen Fragen führen. Dass der Pumptrack während dieser Zeit abgebaut werden würde, um den nötigen Platz für parkende Autos zu schaffen, ist wahrscheinlich. Anwohner*innen wären durch die zweiphasige Baustellenkonzeption dauerhaft mit Lärm belastet.
  9. Die Erreichbarkeit ist laut Sitzungsvorlage am Standort Sportplatz besser, der Mangel, dass der Standort am Sportplatz durch den ÖPNV schlecht erreichbar ist, ließe sich durch eine Haltestelle der Buslinie 37 auf „An der Igstadter Straße“ kurzfristig und kostengünstig beheben.
  10. Erschließungs- und Kostenfragen wurden in der Sitzungsvorlage einseitig zu Ungunsten des Alternativstandorts am Sportplatz gewertet, statt die Chancen eines Sportzentrums an der Oppelner Straße zu berücksichtigen, zum Beispiel den seit langem vom Ortsbeirat geforderten Ausbau der Oppelner Straße und die kostensparende Möglichkeit eines teilversiegelten Parkplatzes.
    • Unter dem Punkt Erschließung wird argumentiert, dass die Oppelner Straße in Bezug auf die Verkehrssicherheit problematisch ist. Dies thematisiert der Ortsbeirat seit vielen Jahren, eine Lösung wurde vom Magistrat immer abgelehnt. Nun wird dieser Mangel immerhin erkannt. Er könnte im Rahmen einer Gesamtkonzeption eines Sportzentrums an der Oppelner Straße endlich gelöst werden. Stattdessen wird er genutzt, um die aktuelle Situation weiterhin zu zementieren.
    • Auch die unter dem Punkt „Kosten“ angeführte Argumentation, dass die Stellplatzsituation am Standort bereits „zum Teil gelöst“ sei, weil die Parkgarage die Seitenwände der äußeren Gebäude nutzen könnte, ist nicht stichhaltig. Am Standort Sportplatz ist ausreichend Platz für einen ebenerdigen, teilversiegelten Parkplatz „auf der Wiese“, der deutlich günstige wäre, als ein Parkhaus.
    • In der Sitzungsvorlage wird eingeräumt, dass die Besitzer*innen der Flächen am Sportplatz bereit sind, die Flächen zu verkaufen. Warum wurden diese Anfragen erst jetzt gestellt, obwohl das Gebiet laut Bebauungsplan schon seit 20 Jahren für Sport- und Grünflächen vorgesehen ist und auch die entsprechenden Bedarfe an Sport- und Grünflächen seitdem bekannt sind? Diese Versäumnisse sollen die Nordenstadter*innen nun mit dem Verkauf der Ortsmitte und der Verdichtung an der Taunushalle ausbaden.
  11. Die Sitzungsvorlage enthält keine Zusage, dass die nach den Planungskosten verbleibenden Gelder von 3.638.000 Euro, die für die Sanierung der Taunushalle vorgesehen waren, für Nordenstadter Projekte gesichert werden.
  12. In der Präsentation der SEG zum Standort Taunushalle wird betont, dass die Neuentwicklung „unter dem Aspekt des maximalen Erhalts von vorhandenen Grünflächen“ steht. Vor dem Hintergrund, dass dafür rund 30 große, alte, schattenspendende Bäume abgeholzt werden müssen, ist diese Darstellung irreführend.
  13. Die Formulierung in der SEG-Präsentation, dass die Konzeption am Standort Taunushalle planerisch so konfiguriert sei, „dass neue Verbindungen zu Grünflächen und ein zentraler Platz“ entstünden, ist nicht nachvollziehbar und ist daher ebenfalls irreführend.
  14. Laut SEG-Präsentation kann die alte Halle während der Bauzeit der neuen Halle „voraussichtlich“ in Betrieb bleiben. Auf der nächsten Seite der Präsentation wird gesagt, dass immer eine Halle in Betrieb sein kann. Diese Angaben sind irreführend.
  15. Völlig unbewertet bleibt der Vorteil einer Gesamtsportanlage für den größten Nutzer der Sportstätten mit über 1.000 Mitgliedern, den TuS Nordenstadt. Die Synergien aus gemeinsamen Sportstätten sowie Schaffung neuer/zusätzlicher Begegnungsstätten, Clubheimen sind klar als positiv für das Ortsleben zu bewerten, statt wie bisher die Trennung der Sportstätten und die starke Abgrenzung der Fachschaften.
  16. Als der Ortsbeirat am 1. Juli 2020 die grundsätzliche Zustimmung zur SEG-Planung des Neubaus geben sollte, wurde insbesondere die schnelle Umsetzung seitens der SEG hervorgehoben, ein Baubeginn wurde für 2023 in Aussicht gestellt. Nun sind zwei Jahre vergangen und es wurde lediglich eine Sitzungsvorlage erarbeitet. Die erforderliche Neufassung des Bebauungsplanes soll erst während der Planungsphase erfolgen, dafür werden weiter 24 Monate erwartet, Baubeginn wird nun mit „frühestens 2025“ angegeben. Es bleibt festzuhalten: der Ortsbeirat wurde mit falschen Versprechungen geködert, um einer unzureichenden Minimallösung zuzustimmen.

Zusammenfassend halten wir das Konzept für unausgereift, dem Bedarf nicht angemessen und für nicht zukunftstauglich. Daher lehnen wir die Vorlage ab und appellieren an den aktuellen Ortsbeirat, der Sitzungsvorlage nicht zuzustimmen und die genannten Fehleinschätzungen nicht für die nächsten Jahrzehnte zu zementieren.